Handwerk und Reparatur
„Handwerk und Reparatur – ökonomische Bedeutung und Kooperationsmöglichkeiten mit Reparaturinitiativen.“ So lautet der etwas sperrige Titel einer neuen Studie. Das Volkswirtschaftliche Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh Göttingen) hat sie im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellt.
Aktuell ist sie zudem wegen einer neuen EU-Richtlinie, die ab 2021 auch in Deutschland gelten soll. Zum ersten Mal werden Anforderungen in Bezug auf Reparierbarkeit und Ersatzteile festgelegt. Insbesondere bei Haushaltsgeräten wie Geschirrspülern, Waschmaschinen und Kühlgeräten steigen die Anforderungen in Bezug auf Reparierbarkeit, ebenso bei TV-Geräten. Ersatzteile müssen verpflichtend zur Verfügung gestellt werden. Dafür hatte sich das Bundesumweltministerium besonders eingesetzt.
Warum so eine Studie? Und was bringt sie den Elektrohandwerken? Wie wichtig sind Reparaturen überhaupt für das deutsche Handwerk?
Wenn ein Verbraucher Konsumgütern repariert, statt sie bei einem Defekt gleich fortzuwerfen, kann er sie länger nutzen und schont so die natürlichen Ressourcen. Das ist natürlich im Sinne des Umweltbundesamtes.
Eine Studie darüber nützt dem Handwerk, denn ein normaler Betrieb verkauft neue Konsumgüter, ebenso wie er gebrauchte repariert. In Prinzip. Denn so einfach ist es natürlich nicht.
„Der stetige Preisverfall macht Reparaturen etwa an TV-Geräten unwirtschaftlich“, sagt Volker Lorentzen, Landesfachbereichsvorsitzender für Informationstechnik im Landesverband Schleswig-Holstein. Außerdem sei es teuer, Ersatzteile zu lagern. Ergebnis: „Die Reparaturzahlen in der Unterhaltungselektronik sind stark rückläufig.“ Ähnlich Alexander Neuhäuser, Geschäftsführer Recht und Wirtschaft beim Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH): „Viele elektronische Geräte werden immer kleiner und leichter, unter anderem werden Komponenten miteinander verklebt, um dies zu ermöglichen. Das erschwert natürlich die Reparatur, vor allem für den Laien. Einen weiteren Einfluss hat das Kaufverhalten. Hier steht oft der Preis bei der Neuanschaffung im Vordergrund. Eine billige Produktion geht aber in aller Regel auf Kosten der Reparierbarkeit. Dies sieht man bei billig produzierten Geräten, aus Fernost. Natürlich spielt dann der Preis der Reparatur im Verhältnis zum Neukauf eine Rolle. Der Verband fordert davon abgesehen aber eine differenzierte Debatte. Die Diskussion wird zu oft nur an Beispielen aus dem Bereich der Consumer Elektronik oder den Elektrokleingeräten geführt. Viele hochwertige elektrische Geräte, solche für professionelle Anwendungen und natürliche viel weitere anlagentechnische Geräte, z.B. aus der Gebäudetechnik, sind ganz anders konstruiert und ermöglichen sehr wohl Reparaturen, die dann auch vom Elektrohandwerk ausgeführt werden. Hier spielen dann ganz andere Faktoren eine Rolle. Der Zugang zu professionellen Ersatzteilen, zu Reparaturanleitungen und immer öfter auch zu Software oder die Form des Vertriebssystems und der Organisation des Geräteservices durch den Hersteller können durchaus entscheidend für die Frage sein, ob eine Reparatur möglich ist.“
Außerdem gibt es Nischen, sagt Lorentzen: „Spezialisten für Autoradio-Reparaturen oder Vintage Audio Produkte haben ihr Auskommen mit steigender Nachfrage. Hier ist die Nachhaltigkeit einiger Produkte wie zum Beispiel Tonbandgeräte oder Plattenspieler kundenseitig stark gefragt. Geräte mit einem Lebensalter von 20 bis 60 Jahren haben nicht nur ihren Charme, sondern auch die Qualität, die heutzutage nicht mehr zu erreichen ist.“
Auch die Macher der Studie sehen Nischen: Nicht nur Handwerksbetriebe, sondern auch immer mehr Initiativen reparieren Unterhaltungselektronik, Haushalts- und Gartengeräte, Lederwaren und Textilien. Besonders in Städten treffen Laien sich in „Reparaturcafés“ und helfen einander.
Was hat das für Folgen für das Handwerk?
Wenn man der Studie glaubt, besteht zwischen Handwerkern und Reparaturinitiativen keine Konkurrenz. Stattdessen seien beide Seiten zu einer stärkeren Kooperation bereit. Der Vorteil liegt demnach sogar beim Handwerk: Bei der Untersuchung „auf Basis von Daten des statistischen Bundesamtes und der ZDH-Strukturumfrage zeigt sich eine starke ökonomische Relevanz von Reparaturdienstleistungen für das Handwerk und eine dominante Rolle von Handwerksbetrieben bei der gesamtwirtschaftlichen Reparaturtätigkeit.“
So etwa können Handwerker im Reparaturcafé den Bastlern helfen und so Kontakte knüpfen. Aber das, was einer Designerin hilft, die Nähkurse gibt und bei der Gelegenheit auch Stoffe verkaufen kann, das kann für einen Gesellen oder Meister im Elektro- oder IT-Bereich vielleicht sogar heikel sein.
Neuhäuser sieht auch dies differenzierend: Es gebe durchaus Aktivitäten im Elektrohandwerk auf Innungsebene. Motivation sei aber meist die Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements und weniger geschäftlicher Natur. Die Reparatur von Elektrogeräten sei darüber hinaus aber auch eine Frage der Sicherheit. Bei Fehlern drohe die Haftung für die Folgen einer mangelhaften Reparatur. Daher gehörten solche Tätigkeiten grundsätzlich in die Hände fachkundiger Personen.
EU-Richtlinie und Studie hin oder her: Vielfach wird heutzutage überhaupt mehr repariert. Volker Lorentzen gibt etwas zu bedenken, was leicht vergessen wird: Die Generationenfrage. Menschen ab 45 schauen seiner Beobachtung nach ökonomisch und ökologisch genauer hin, sie lassen eher etwas reparieren. Jüngere Menschen dagegen werfen mehr weg. Ausnahmen sind Lieblingsstücke, da sind die Kosten egal, da fallen alle Hemmungen. Aber eben nur da. Im Allgemeinen ist es anders, man geht kaum noch für eine Reparatur zum Fachbetrieb: „Das Bewusstsein über einen Wirtschaftszweig im Handwerk ist hier nicht vorhanden.“ Vor allem nach Ablauf der Garantiefrist: „Da droht meistens die Entsorgung der entsprechenden Geräte.“ Ähnlich Neuhäuser: „Geräte wie Smartphones oder Tabletts unterliegen schneller Innovation. Auch das Marketing der Hersteller ist darauf ausgerichtet, nach einer kurzen Benutzungszeit von zwei, drei Jahren das neuste Gerät anzuschaffen.“ Er sieht aber auch erste neue Ansätze. „Der ´Refurbished Markt` entsteht. Es gibt auch ein wachsendes Bewusstsein für den Wert der Materialien in vielen Kommunikationsgeräten, Umweltverschmutzung durch die Materialgewinnung und Herstellung oder soziale Probleme durch billige Produktion sowie weitere Problematiken des schnellen Konsums. Ein echter Trendwechsel ist aber noch nicht in Sicht.“
Aber vielleicht erfüllt sich der Wunsch von Bundesumweltministerin Svenja Schulze mit der neuen EU-Richtlinie: "Die neuen Regeln sind konkrete Maßnahmen gegen die Wegwerf-Gesellschaft. Sie verbessern die Möglichkeit, Produkte zu reparieren und zu recyclen und setzen den Herstellern Anreize dafür, Produkte langlebiger zu gestalten.“
Link: Die Göttinger Studie
Link: Das Europäische Parlament zur neuen EU-Ökodesign-Richtlinie